Beziehungskultur – Schubladendenken

Eine tolle Fähigkeit unseres Verstandes ist es zu differenzieren. Aber Differenzierung erschafft / ist zwangsläufig Trennung. Kennt ihr das auch? – Jemand fragt euch zu einer Person und ihr antwortet: Eine Bekannte / eine Freundin / meine Freundin … Das ist eine Form von Schubladendenken. Wir haben Kategorien / mentale Schubladen für die Menschen mit denen wir in Verbindung stehen.

Warum machen wir das?

Vereinfachung. Unser Verstand muss sich nicht immer wieder neu mit der Wahrnehmung eines Menschen auseinandersetzen. Er greift einfach auf eine vorherige Einordnung zurück und übernimmt diese.

Sicherheit und Ordnung. Es schafft eine Illusion von Sicherheit und Ordnung, wenn wir einen Menschen sicher in einer Schublade haben. So baut sich unser Verstand ein soziales Koordinatensystem bzw. Beziehungsgeflecht auf.

Was ist der Haken an der Sache?

Jede Schublade und Kategorie besitzt implizite und explizite Eigenschaften und Ad hoc Annahmen, die nicht immer bewusst, sondern sogar oft unterbewusst und kulturell geprägt sind. Ein paar Beispiele für mögliche innere Glaubensätze: Arbeit und Privates müssen getrennt werden. Freunde müssen mich immer unterstützen. Beziehung an der Arbeit gehen nicht gut.

Wenn wir jemanden in unsere Schubladen legen, dann spalten wir auch immer etwas von unserer Wahrnehmung ab. Wir nehmen den Menschen nur noch partiell war und der Rest der Wahrnehmung wird durch die Art der Schublade ersetzt. Die ganzen Schattierungen gehen verloren in dem „Schwarz-Weiß“ unserer gefilterten Wahrnehmung.

Aber diese Schubladen sind nur Illusion. Das merken wir wenn sich plötzlich die Kategorie ändert, sich unser soziales Koordinatensystem plötzlich verschiebt und Chaos in unsere so geordnete Welt hereinbricht. Wir verlieben uns beispielsweise in unsere beste Freundin. Plötzlich entwickeln sich Gefühle für eine Arbeitskollegin. Oder ein Mensch verhält sich nicht so wie wir es erwarten.

Ich sage nicht, dass es falsch ist diese Schubladen zu haben. Dieses Schubladendenken ist wohl ein integraler Bestandteil unseres Bewusstseins, aber man muss sich dessen bewusst sein.

 Einen Menschen wirklich sehen …

Unser Herz hingegen differenziert nicht. Es löst Trennung auf und verbindet. Mit dem Herz sehen, heisst einen Menschen wirklich wahrzunehmen. Ich sehe dich. Kennt ihr diese stillen Momente, wenn ihr einem Menschen, den ihr liebt, tief in die Augen schaut, den Blick haltet und sich die Zeit dehnt? – Unendlichkeit. Zeitlosigkeit. Herzverbindung. Du darfst ganz da sein und bist mit deinen positiven Eigenschaften, deiner Liebe, deiner Freude, deinem Lachen, aber auch mit deinen Schatten, Verletzungen und Ängsten willkommen.

Überdies empfinde ich meine Empathie als ein wunderbares Geschenk, denn sie ermöglicht es mir mich tief mit einem Menschen zu verbinden.

Was mache ich anders?

Schubladendenken versuche ich bei mir immer mehr gegen Achtsamkeit und Bewusstheit zu ersetzen.

Ich übe mich darin nicht zu bewerten und zu kategorisieren. Ich lade die Ungewissheit,  die Lebendigkeit und auch das Chaos mit ihren Farben und ihren Schattierungen in mein Leben ein. Es muss keine Form haben. Liebe darf organisch fließen. Wohl wissend, dass ich meiner Selbst vertrauen kann.

Mir ist wichtig von Moment zu Moment zu spüren, was gerade da ist. Wo erzeugt eine Frau bei mir Resonanz? Im Herzen, im Becken oder bringt sie mich gänzlich zum Vibrieren? Spüre ich Liebe oder Lust oder beides?  Vielleicht ist da gar keine Resonanz.

Meine Gefühle und Wahrnehmungen kommuniziere ich offen  und authentisch. Bei aller Empathie ist es notwendig die Gedanken aussprechen, sonst verstrickt man sich allzuschnell in Projektionen. Niemand kann Gedanken lesen. Kurzum, es ist wichtig immer wieder Feedback holen. Wie geht es dir? Was brauchst du gerade? Was ist gerade passend?

Es gibt Konzepte wie Beziehungsanarchie, die versuchen die Grenzen ganz aufzulösen. Ich glaube, so weit bin ich noch nicht.

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